Zum ersten Mal seit der Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021 hat die Bundesregierung Menschen nach Afghanistan abgeschoben - 28 mit dem ersten Abschiebeflug letzte Woche.
Wie Human Rights Watch und viele andere Organisationen ausführlich dokumentiert haben, ist die Menschenrechtslage in Afghanistan katastrophal.
Das Bundesinnenministerium, welches die Abschiebungen organisiert hat, scheint jedoch die Augen vor der Krise zu verschließen. „Die afghanischen Staatsangehörigen, die allesamt verurteilte Straftäter waren, hatten kein Recht, in Deutschland zu bleiben“, erklärte ein Regierungssprecher.
Diese Menschen werden in das Afghanistan der Taliban zurückgeschickt, das für seine ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen bekannt ist, ein Land, in dem Menschen öffentlich ausgepeitscht werden und Frauen weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt sind.
Die Lage ist so dramatisch, dass die Vereinten Nationen erklärt haben, niemand dürfe nach Afghanistan zurückgeschickt werden.
Diese Abschiebungen erfolgten eine Woche nachdem ein syrischer Mann einen tödlichen Messerangriff in Solingen gestanden hatte und nur wenige Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am vergangenen Sonntag. Der Mann war nach einem abgelehnten Asylantrag zur Abschiebung vorgesehen gewesen.
Beide Ereignisse zusammen haben eine hitzige politische Debatte über die Asyl- und Abschieberegelungen in Deutschland ausgelöst. Der unverhohlene Rassismus, der in diesen Debatten zum Vorschein kommt und der extremen Rechten zugute kommt, ist höchst beunruhigend.
Vor dem Hintergrund zunehmender Hetze und Angriffe auf rassifizierte Menschen, einschließlich Migrant*innen, hat Bundeskanzler Scholz dennoch versprochen, eine härtere Migrationspolitik durchzusetzen und Abschiebungen zu verstärken, sogar nach Syrien und Afghanistan. Mit dem Abschiebeflug am vergangenen Freitag hat die Bundesregierung ihr Versprechen eingelöst.
Ähnlich hat sich die Opposition geäußert. CDU-Fraktionschef Friedrich Merz sprach von einer „nationalen Notlage“ und forderte einen generellen Aufnahmestopp für Menschen aus Afghanistan und Syrien.
Der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp, sprach heute sogar von der Möglichkeit, Migrant*innen nach Ruanda abzuschieben.
Es sollte mittlerweile klar sein - auch der deutschen Bundesregierung -, dass das Aufgeben fundamentaler demokratischer Werte für eventuelle kurzfristige politische Gewinne keine erfolgreiche oder vertretbare Strategie ist.
Darüber hinaus sollte das demokratische Prinzip der Rechtsstaatlichkeit auch die Achtung des Völkerrechts bedeuten.
Außergerichtliche Hinrichtungen, gewaltsames Verschwindenlassen und Folter sind in Afghanistan an der Tagesordnung. Niemand ist dort sicher.
Niemand sollte, unabhängig von begangenen Verbrechen, an einen Ort abgeschoben werden, an dem er der Gefahr schwerer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist. Die Bundesregierung sollte es besser wissen.