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Demonstrierende versammeln sich am 30. November 2022 in Tokio, um die Opfer eines Brandes in Urumqi, der Hauptstadt der chinesischen Region Xinjiang, zu unterstützen. © 2022 Hiro Komae/AP Photo

(Tokio) - Die chinesischen Behörden versuchen, in Japan lebende Chines*innen einzuschüchtern, die sich an regierungskritischen Aktivitäten beteiligen, so Human Rights Watch heute. 

Die Schikanen der chinesischen Regierung gegenüber Menschen aus China, darunter Menschen aus Xinjiang, Tibet und der Inneren Mongolei, sowie deren Familienangehörigen in der Heimat zielen offenbar darauf ab, die Mitglieder der Diaspora davon abzuhalten, gegen die Regierung zu protestieren oder an entsprechenden politischen Veranstaltungen teilzunehmen. Die chinesischen Behörden versuchen zudem, von Diaspora-Mitgliedern Informationen über weitere Personen in Japan zu erhalten.

„Die chinesischen Behörden scheinen wenig Skrupel zu haben, in Japan lebende Chines*innen, welche die Missstände in China kritisieren, zum Schweigen zu bringen“, sagte Teppei Kasai, Asien-Programmbeauftragter bei Human Rights Watch. „Die japanische Regierung sollte Peking klarmachen, dass sie den langen Arm von Chinas transnationaler Repression in Japan nicht dulden wird.“

Zwischen Juni und August 2024 sprach Human Rights Watch mit 25 Personen aus China, darunter aus Xinjiang, Tibet, der Inneren Mongolei und Hongkong, die in Japan lebten. Alle waren an friedlichen Aktivitäten beteiligt, die von der Kommunistischen Partei Chinas als schädlich oder bedrohlich für die Einparteienherrschaft angesehen wurden. Hierzu gehörten etwa öffentliche Veranstaltungen, bei denen auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang aufmerksam gemacht wurde, ebenso wie Veranstaltungen zur Förderung der tibetischen Kultur oder die Teilnahme an einem Lesezirkel, bei dem ein Buch eines Aktivisten aus der Inneren Mongolei besprochen wurde.

Die meisten der Befragten gaben an, dass die chinesische Polizei sie oder ihre Verwandten in der Heimat kontaktiert und sie unter Druck gesetzt hätten, entsprechende Aktivitäten in Japan einzustellen. Mehrere Personen legten Protokolle von Nachrichten auf der chinesischen Social Media-Plattform WeChat, Aufzeichnungen von Videoanrufen und Videoüberwachungsaufnahmen vor, die ihre Schilderungen bestätigten.

Eine Person gab an, dass sie nach einem Anruf der chinesischen Behörden im Jahr 2024 ihre Teilnahme an politisch sensiblen (Online-)Aktivitäten eingestellt habe. Eine andere Person, die sich zunächst zu einem Gespräch mit Human Rights Watch bereit erklärt hatte, entschied sich später aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der chinesischen Behörden gegen ein Interview.

Mehrere ethnische Uigur*innen aus Xinjiang sagten, die chinesischen Behörden hätten sie über ihre Verwandten in der Heimat kontaktiert. Die Polizei rief sie dann über WeChat an und forderte sie auf, ihre Aktivitäten gegen die chinesische Regierung in Japan einzustellen oder drängten sie, Informationen über die uigurische Gemeinschaft in Japan weiterzugeben, einschließlich der Mitglieder des Interessenverbands Japan Uyghur Association.

Mehrere Personen aus der Inneren Mongolei, die sich friedlich für die Sprachrechte und die Selbstbestimmung der Inneren Mongol*innen, einer ethnischen Minderheit in China, einsetzten, gaben an, dass die chinesischen Behörden mit ihnen Kontakt aufgenommen hätten, häufig über ihre Verwandten in der Heimat.

Eine Person aus Tibet, die sich in Japan für die tibetische Kultur einsetzt, sagte, als sie zur chinesischen Botschaft in Tokio ging, um ihren Pass zu erneuern, hätten die Botschaftsbeamt*innen ihr gesagt, dass sie dafür nach Tibet zurückkehren müsse. Eine Person aus Taiwan, die sich früher in einem Drittland für die Demokratie in Hongkong engagierte, sagte, die chinesische Botschaft habe ihr mehrere Einladungen geschickt, um „wichtige Dokumente in Empfang zu nehmen“. Beide Personen sagten, sie hätten die Empfehlungen der Botschaft abgelehnt, weil sie befürchteten, festgenommen oder bestraft zu werden. 

Die chinesischen Behörden haben die Rechte von chinesischen Staatsangehörigen, die in ihre Heimat zurückkehren, verletzt. Im Jahr 2023 verhaftete die Polizei in Hongkong willkürlich eine 23-jährige Frau aus Hongkong nach ihrer Rückkehr in die Stadt wegen pro-demokratischer Kommentare, die sie während ihres Studiums in Japan im Internet gepostet hatte.

Mehrere Personen sagten, sie hätten sich nicht an die japanische Polizei gewandt, weil sie nicht glaubten, dass die diese ihnen helfen könne, oder weil sie Repressalien oder eine Verschlimmerung der Situation für sich und ihre Angehörigen in der Heimat fürchteten.

Human Rights Watch teilte die Ergebnisse der Recherche der chinesischen Botschaft in Japan mit und bat um eine Stellungnahme. Dieser Bitte kam die Botschaft bislang nicht nach. Das japanische Außenministerium lehnte eine Stellungnahme ab, und die Nationale Polizeibehörde reagierte bislang nicht auf ein Schreiben von Human Rights Watch, in dem um Informationen bezüglich ihrer Reaktion auf Chinas Unterdrückungsmaßnahmen in Japan gebeten wurde.

In den letzten Jahren hat die japanische Regierung die Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung immer wieder deutlich zur Sprache gebracht, u.a. durch Gespräche mit chinesischen Beamt*innen und durch Entschließungen des Parlaments zur Prüfung vom entsprechenden Fällen. 

Der Begriff „transnationale Repression“ wird zunehmend verwendet, wenn staatliche Kräfte über ihre Landesgrenzen hinaus kritische Stimmen unterdrücken oder ganz zum Schweigen bringen wollen. Staatsangehörige bzw. ehemalige Staatsangehörige, die in einem anderen Land leben, Mitglieder von Diaspora-Gemeinschaften und im Exil lebende Personen sind hierbei besonders gefährdet.

Die japanische Regierung sollte die Bedrohung durch die Unterdrückung chinesischer Staatsangehöriger im Ausland seitens der chinesischen Regierung anerkennen und zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen beitragen, indem sie ein System einrichtet, mit dem Einwohner*innen Japans entsprechende Vorfälle melden können, so Human Rights Watch. 

Ein solches System sollte die Privatsphäre der Einzelnen angemessen schützen, strafrechtliche Ermittlungen in Fällen, in denen gegen japanisches Recht verstoßen wurde, erleichtern und Personen, die sich an die Behörden wenden, um glaubwürdige Fälle zu melden, vor Abschiebung und Auslieferung schützen. Personen, die einem solchen Druck ausgesetzt sind, sollten auf ihr Recht hingewiesen werden, Asyl oder andere Formen des Schutzes zu beantragen.

Die japanische Regierung sollte die chinesische Regierung auffordern, die Überwachung von und die Drohungen gegen in Japan lebende Chines*innen einzustellen. Am 26. Juni schloss sich Japan im UN-Menschenrechtsrat 54 Ländern an, die die translationale Repression verurteilten und sich verpflichteten, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Japan sollte sich auch mit anderen Regierungen und UN-Gremien abstimmen, um gefährdete Personen zu schützen.

„Japan sollte Unterstützungsmechanismen für Menschen schaffen, die von der chinesischen Regierung schikaniert werden“, sagte Kasai. „Japan sollte umgehend ein nationales System zur Untersuchung von Fällen transnationaler Repression einrichten, welches die Privatsphäre der Betroffenen angemessen schützt.“

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