Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) machte in den letzten Wochen Schlagzeilen wie nie zuvor. Mit dem Beginn der großen Jahrestagung steht die Institution heute unter beispiellosem Druck.
Die jährliche Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten (engl. ASP, Assembly of State Parties genannt) des IStGH findet diese Woche in Den Haag statt. Hierbei handelt es sich um die Zusammenkunft der 124 Mitgliedsländer des Gerichtshofs – also der Länder, die das Römische Statut, den Gründungsvertrag des IStGH, unterzeichnet haben. Sie werden verschiedene Fragen in Bezug auf das Gericht, seine Ausrichtung und Schwierigkeiten sowie seinen äußerst wichtigen Haushalt für das nächste Jahr erörtern.
Zweifellos wird bei allen Verhandlungen der extreme Druck im Vordergrund stehen, dem der IStGH ausgesetzt ist, nachdem Richter*innen im vergangenen Monat Haftbefehle gegen hochrangige israelische Politiker sowie einen Hamas-Beamten im Rahmen der Palästina-Untersuchung erlassen haben.
Der Gerichtshof beschäftigt sich derzeit mit 16 Ländern auf der ganzen Welt, aber diese Untersuchung erhält international die größte Aufmerksamkeit – insbesondere der Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu.
Nach der Entscheidung über den Haftbefehl im vergangenen Monat kam es zu beunruhigenden Drohungen von Abgeordneten in den USA, obwohl das Land kein IStGH-Mitglied ist. US-Senator Lindsey Graham forderte den US-Senat und Präsident Joe Biden auf, ein Gesetz zu billigen, das am 4. Juni vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde und Sanktionen gegen den IStGH, seine Beamten und diejenigen, die seine Arbeit unterstützen, verhängen soll.
Das Gesetz orientiert sich an einem Sanktionspaket, das der damalige US-Präsident Donald Trump im Jahr 2020 ins Leben gerufen hat.
Auch aus dem IStGH-Mitgliedsstaat Frankreich kommen erste Risse in der Unterstützung für das Gericht und seine Mission.
Liegt ein IStGH-Haftbefehl gegen eine Person vor, sind alle IStGH-Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, diese Person festzunehmen. Letzte Woche behauptete die französische Regierung jedoch offenbar, dass Netanjahu als Staatsoberhaupt eines Landes, das kein IStGH-Mitglied ist, vor einer Verhaftung geschützt sei.
Die Richter*innen am IStGH haben eine solche Auffassung bereits früher zurückgewiesen, zuletzt im Zusammenhang mit der Reise des IStGH-Flüchtigen Wladimir Putin in die Mongolei, die als IStGH-Mitgliedsland die Pflicht hatte, ihn zu verhaften, dies aber nicht tat.
Natürlich haben Länder wie die USA und Frankreich das Gericht zu Recht unterstützt, wenn es um den IStGH-Haftbefehl gegen Putin im Zusammenhang mit der Massenentführung von Kindern in der Ukraine durch Russland geht. Die Doppelmoral des Westens ist für die ganze Welt offensichtlich. Wie schon viele Male zuvor gesagt:
Wer sich nur dann für Kriegsverbrechen interessiert, wenn sie von seinen Feinden begangen werden, der interessiert sich nicht wirklich für Kriegsverbrechen.
Der Druck auf den IStGH kommt nicht nur aus dem „Westen“. Als Reaktion auf den IStGH-Haftbefehl gegen Putin hat Russland (kein IStGH-Mitglied) eigene Haftbefehle gegen den Chefankläger des IStGH und einige Richter*innen erlassen.
Da die Versammlung der Vertragsstaaten heute beginnt, werden all diese vielen Belastungen den Köpfen der Teilnehmer*innen zusetzen. Die IStGH-Mitglieder müssen diese Gelegenheit nutzen, um ihre Unterstützung für den Gerichtshof zu verdoppeln.
Das bedeutet, dass sie zeigen müssen, dass der IStGH die politische Unterstützung und die Ressourcen hat, die er braucht. Es bedeutet auch, dass alle Mitgliedsländer ihre Verpflichtung bekräftigen sollten, die Haftbefehle des Gerichts zu vollstrecken, unabhängig davon, gegen wen sie sich richten.
Der IStGH hat ein ambitioniertes globales Mandat, um Gerechtigkeit für die schwersten Gräueltaten zu schaffen. Die Opfer dieser Gräueltaten brauchen IStGH-Mitgliedsländer, die den Gerichtshof bei seiner gesamten Arbeit überall unterstützen.